FILM ASPHALT (GER 1929)

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    Asphalt

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ASPHALT -- DER POLIZEIWACHTMEISTER UND DIE BRILLANTENELSE

Directed by: Joe May.
Written by: Fred Majo (= Joe May),
Hans Székely,
Rolf Vanloo
(based on a story by Rolf Vanloo).
Production company: Joe-May-Film der Erich-Pommer-Produktion der Universum-Film AG (Ufa), Berlin.
Photography: Günther Rittau.
Set design: Erich Kettelhut,
Robert Herlth (uncredited),
Walter Röhrig (uncredited).
Costume design: René Hubert.
Cast: Gustav Fröhlich (Wachtmeister Holk),
Betty Amann (Else Kramer),
Albert Steinrück (Holks Vater),
Else Heller (Holks Mutter),
Hans Adalbert Schlettow (Konsul Langen),
Hans Albers,
Arthur Duarte,
Paul Hörbiger,
Trude Lieske,
Karl Platen,
Rosa Valetti,
Hermann Vallentin,
Kurt Vespermann.
Studio / Locations: Ufa-Atelier, Neubabelsberg (shot Sep -- Nov 1928).
Première: 11 Mar 1929, Ufa-Palast am Zoo, Berlin.
Restoration data: 1995: Restoration by Martin Koerber of the Stiftung Deutsche Kinemathek, Berlin, with Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin, and ARD / Degeto Film GmbH, based on a newly discovered print at the Gosfilmofond archive in Moscow in 1993. Premièred at the Berlin film festival in February 1995, celebrating 100 years of cinema.

2005: Digital retouching, restoration, remastering and subtitling of Koerber's version by IML Digital Media, Melbourne, released on DVD by Eureka Video, London.   Review



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REVIEWS



Georg Herzberg
"Asphalt."
(Ufa-Palast am Zoo)


Ein Triumph des Pommer-Kollektivs. Hohe Schule der deutschen Filmkunst, letztes Beherrschen der Filmapparatur. Höchste Technik gilt als selbstverständlich. Wir erleben selten in einer Saison ein solches Selbstbesinnen auf deutsches Produktionskönnen. Warum? Fragen Sie die Zeiten und die Menschen. Mit der Stoppuhr in der Hand ist nur Massenware zu liefern.

Der Titel ist gut. Aus den Dünsten der Asphaltmaschinen entsteigt der Film, bringt Straßendurcheinander, Autogewimmel, ein paar Episoden als Einleitung. Dann ist der Titel allerdings erschöpft. In der Handlung wird ein junger Wachtmeister durch eine schöne Diebin untreu dem Dienst. Wird schließlich zum Totschläger an dem Nebenbuhler. Allerdings in Notwehr. Der Vater, ebenfalls von der Polizei, erstattet selbst die Anzeige, der Junge wird nach dem Verhör freigelassen, die Diebin, die alle Schuld auf sich nimmt, behält man in Gewahrsam. Aussicht auf happy ending.

Ein knappes, starkes Geschehen, erdacht von Rolf E. Vanloo, ins Filmische übertragen von Fred Majo, Hans Szekely und Rolf E. Vanloo. Stil: "Heimkehr". Starres Festhalten an der Grundhaltung, breites Ausspielen, große Chancen für Darsteller.

Man hätte den Film noch anders machen können: A la "Spione". Nach dem Titel hätte man es erwartet. Denn es ist ein Unterschied zwischen weltferner Liebesgeschichte zu Dritt, ganz auf Seelisches gestellt, und einem Film unter dem Asphalt-Leitmotiv, das Wirbel und Buntheit und Tempo (Verzeiht das harte Wort!) erwarten läßt. Es ist wohl Ansichtssache: Hätte man nicht das Schicksal der Hauptpersonen, aus dem Titel und der im Anfang geschaffenen Stimmung heraus, aus hundert glitzernden, pointierten Kleinigkeiten entwickeln können, mosaikartig, im Großen ein Guß und doch im Kleinen ausgearbeitet?

Joe May liegt wohl jetzt mehr der Stil der großen Geste, der Stimmungsmalerei durch Kamerabeweglichkeit und Bauten-Einfall. So entstehen Gemälde aus Treppenpassagen und Gefängnisgängen. So schafft er den Geruch einer betulichen Bürgerwohnung, das aufreizende Parfüm eines Kokottenboudoirs.

Aus dem Rahmen fällt eine Bar. Da schaffen knappe fünfzig Meter, ein leichtes Huschen der Linse, ein paar Aufnahmen der Valetti den Eindruck.

Der Schluß ist geboren aus deutscher Angst vor Banalität. Weil in sogenannten "geistigen" Kreisen man verächtlich das Gesicht verzieht, wenn vor dem Schlußtitel der alles klärende Kuß des Liebespaares gezeigt wird. So deutet man an, für jeden vom Bau verständlich, aber für die Masse bestimmt nicht "ganz flax". Oder liegt irgendwo, vielleicht für Amerika bestimmt, noch der ausführliche Schluß? Er wird bestimmt auch gekonnt und nicht banal sein, und man klebe ihn getrost hinein. Wichtiger als die Erfüllung einiger Literatenwünsche ist die Erziehung der großen Masse zum guten Film. Wer einen Film nicht versteht, nörgelt immer, und in diesem Fall ist doch Verstehenlassen so leicht.

Die Darsteller habens gut in diesem Film. Neidvoll werden die Kollegen das mit ansehen. Da sind Spielmöglichkeiten, auch für die kleinste Charge, da ist Zeit und Gefühl und Können vorhanden, um jeden auf Höchstform zu bringen.

Andächtiger Beifall ehrt noch einmal den toten Albert Steinrück, der den Triumph seiner vielleicht besten Rolle nicht mehr erleben kann. Breitschultrig steht er da, der alte Wachtmeister, stolz auf den Sohn, stolz auf sich, der untadelig das Leben gemeistert. Der Blitz der Katastrophe läßt ihn nur leicht erschüttern, der Vater ist verwundet, der Beamte (Beamter im guten Sinne) steht seinen Mann: Uniform an, Tschako auf, Koppel um. Der Sohn, der im Schoße der Mutter schluchzt, muß zur Wache. Wundervoll diese stärkste Szene des Films.

Eine neue Darstellerin, Else Heller, spielt die Mutter. Glaubhaft im Schmerz, in ihrer Liebe etwas süßlich.

Der Junge: Gustav Fröhlich. Frohäugig, jungenhaft unbekümmert, man versteht, daß er hineintapst in das Netz der Sirene. "Aus dem Leben gegriffen" -- das ist ein relativer Ausdruck. Aber solche Burschen gibt es bestimmt, so ahnungslos gegenüber der Welt außerhalb der eigenen guten Stube.

Einen Boxkampf hat er mit dem Nebenbuhler Schlettow: Da wird das Filmherz der Welt lachen, da hält man den Atem an und fürchtet für die Knochen der Darsteller. Joe May steigert wuchtig und knapp diese Episode.

Finster steht der Schurke Schlettow. Die Filmgerechtigkeit triumphiert, denn dieser "Generalkonsul" ist in Wahrheit ein Tresorknacker, der zwar nicht am Wittenbergplatz, aber auf den Pariser Boulevards Großbanken nächtlich unterwühlt und brandschatzt. Das Parkett versteht grinsend und klatscht.

Die Ufa hat Mut: Schon wieder eine junge Darstellerin in einer tragenden Rolle. Betty Amann. Schlank, schwarz, körperbeweglich. Kameramann und Regisseur leiten sie über alle Klippen hinweg. Sie heult und die Nase zieht hoch, das glaubt man zu hören. Und sie scheint wirklich nicht so schlecht zu sein, die Brillantendiebin. Und warum soll sie nicht bürgerlich werden an Gustels Seite. Man notiert: Eine neue, brauchbare Schauspielerin.

In Nebenrollen beachtlich: Karl Platen: Mal Herr und nicht Diener. Curt Vespermann, Hermann Vallentin.

Erich Kettelhuts Bauten: Günther Rittaus Photographie sind wichtige Faktoren des Films. Erst ihre Arbeit ermöglichte das Kunstwerk.

Joe-May-Erich-Pommer-Film im Ufa-Leih.

Länge: 2575 Meter, für Jugendliche verboten.

Film-Kurier (Berlin) vol. 11, no. 62, 12 Mar 1929.

Hans Wollenberg
Asphalt
May-Film der Pommer-Produktion
Ufa-Palast am Zoo


Um dies gleich vorwegzunehmen: die prozeßumwobene Reklame in diesem Film ist so diskret, daß man sie nicht spürt. Wäre nur alles so diskret ....

+

Libretto des Films "Asphalt" ist eine Film-Novelle von Rolf E. Vanloo. Man kennt sattsam den Staatsanwalt Jordan. Ein ihm verwandter Hüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist der Schupo-Wachtmeister Holk. Allerdings aus einer anderen Gesellschafts-Schicht; und mithin unter anderen soziologischen und psychologischen Voraussetzungen stehend, mit denen man am Kurfürstendamm nicht ganz vertraut zu sein scheint. Dies wurde zur Klippe für das Manuskript.

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Wir dürfen -- bei weiterer Betrachtung -- von allem absehen, was außerhalb des Autoren-Kollektivs Majo-Szekely-Vanloo über Polizeirecht, Dienstvorschriften, Strafverfolgung allgemein bekannt ist. Denn wir wären durchaus gern bereit, in dieser Hinsicht auf starren Realismus zu verzichten, wenn uns die Wucht der Handlung, die Überzeugungskraft psychologischer Ausdeutung ihrer Träger darüber hinwegreißen würde. Leider ... tut sie es nicht.

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Wachtmeister Holk ist Verkehrsschutzmann. Sistiert -- außer Dienst! – eine Ladendiebin. Läßt sich durch reichliche Krokodilstränen und primitive Koketterie kirren und den kleinen Racker nach einem Schäferstündchen in ihrer Wohnung laufen. Um selbst, zerknirscht, zu Vatern und Muttern zurückzukehren. Der Appetit des Luderchens an der wachtmeisterlichen Muskulatur ist geweckt -- und während ihr Freund den Tresoreinbruch von der Kleiststraße nach Paris verlegt -- bändelt sie von neuem mit Holk an, schickt ihm seinen, beim Schäferspiel verlorenen Dienstausweis mit einer Kiste Zigarren ins Haus. Worauf der Brave, der sich nicht schmieren läßt, in ihrer Wohnung wieder auftaucht -- den Dank, Dame, begehr ich nicht! Aber so läßt das Luderchen sich nicht abspeisen. Sie entdeckt plötzlich, daß sie ein Herz hat. Wieder wird er "umgarnt", aber diesmal wird's Ernst! (Leider!) "Du glaubst, ich habe aus Not gestohlen? -- Nennst Du das Not?" und sie breitet Schmuck und Pelze -- reiche Beute ihres erfolgreich ausgeübten Metiers -- vor ihm hin. Von so viel Freimut wird unser Schupo überwältigt, seine "ernsten Absichten" verdichten sich. Da passiert das Malheur: Der Freund knallt -- von seinem wohlgelungenen Pariser Safe-Einbruch heimkehrend -- dazwischen, Rauferei (prachtvolle Rauferei!) der beiden Männer um das Luderchen -- Verzeihung, die Heroine -- mit tödlichem Ausgang für den Freund. Offensichtlich Notwehr des Schupo.

Der wankt zerschmettert nach Hause, und Papa Hauptwachtmeister, jeder Zoll Meister Anton, führt ihn stracks vor den Untersuchungsrichter. Die Sache wird brenzlig -- da erscheint Luderchen -- Verzeihung; Heroine! Klärt alles auf -- und: Holk Sohn, Vater und Mutter werden nach Hause geschickt, die Kleine in Untersuchungshaft genommen. Aus? Aus!!

Der Film gehört genau da auf, wo er anfangen müßte. Wobei an seinem Geschehen nur eines tragisch ist: Das Mißverhältnis zwischen der mit beachtenswertesten Mitteln angestrebten Realität der äußeren Umwelt -- des Asphalts; des Weltstadt-Rhythmus -- und der mangelnden Glaubhaftigkeit des Inneren, des menschlichen Vorganges. Der Rhythmus der abendlichen Straße (vorbereitet durch eine vorzüglich gelungene Montage), die Atmosphäre des Asphalts ist von Joe May brillant verwirklicht, der mit den von ihm verfügten Mitteln Vorzügliches anzufangen wußte. Aber man glaubt ihm schon nicht den Verkehrsschutzmann, den er mitten in die Brandung hineinstellt, glaubt ihm noch weniger die Wege und Irrwege, durch die er seinen Holk sodann führt. So wenig man ihm die Partnerin glaubt, die sich von der raffinierten diebischen Nutte zur großen Seele entwickelt.

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Man befreie doch den großen Regisseur Joe May von einer verlogenen Film-Soziologie, die ihm nicht liegt! Man stelle ihn, nach "Heimkehr" und "Asphalt", wieder vor Aufgaben, die seinem spezifischen Temperament entsprechen und wir von ihm zurückersehnen!

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Gustav Fröhlich kann uns von seiner inneren und äußeren Schupo-Entwicklung nicht überzeugen. Diesen Wachtmeister Holk gibt es nicht! So wenig es diese Diebin der Debütantin Betty Amann gibt. Im äußeren Stil erfreulich à la Lya de Putti, ist Betty Amann so lange zu bejahen, als sie den primitiv-koketten Racker mimt. -- Wenn die große innere Wandlung ..... wenn die Seele kommt, ist es aus. Man soll über eine junge Künstlerin kein Urteil fällen, wenn ihre erste Rolle schon in der Anlage verzeichnet war.

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Nochmals wehmütig-dankbare Begegnung mit Albert Steinrück (Hauptwachtmeister Holk -- Vater), eine der wenigen Physiognomien, die immer überzeugen. Else Heller, an seiner Seite, äußerlich ein guter Muttertyp, aber, in ihrem Gefühlsüberschwang, keine Wachtmeistersfrau. Schlettow, der "Freund" und Safeknacker, eindringlich in einer kleinen Episode, die -- aktuell -- unzwangsläufig und anorganisch in der Handlung steht. Albers, Vallentin, Vespermann, Hörbiger, die Valetti, die Lieske, in lebendigen Chargen.

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Ganz hervorragend Günther Rittaus Photographie, Erich Kettelhuts Bauten. Wesentliche Helfer für Joe May, um dem Film wenigstens den äußeren brillanten Glanz- und Reichtum zu geben, den er aufweist und der seinen Wert -- auch seinen Publikumswert -- ausmacht, und für den es zum Schluß beifallspendende Hände gab.

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Schmidt-Gentner hat den Film mit viel Hingabe musikalisch untermalt, das Sentimentalische dabei freilich zu ausgiebig unterstrichen.

Lichtbild-Bühne (Berlin) vol. 22, no. 60, 12 Mar 1929.



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filmhistoriker.de, edited by olaf brill.

Last update (this page): 28 Nov 2007.

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