DVD REVIEW

SPIONE
Regional Code 2,
silent with musical score, b/w,
approx. 145 mins, German intertitles, with optional English subtitles,
Eureka Video, catalogue no. EKA40087,
The Masters of Cinema Series no. 9,
released 18 Apr 2005
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    DVD Cover (Eureka Video)

Abstract in English: Another fine release of Eureka Video, Fritz Lang's spy thriller SPIONE (Spies) is now out on DVD, presenting a brand-new Murnau Stiftung restoration which premiered at the Berlin film festival only two months prior to the DVD release.

Zwischen seinen Mega-Science-Fiction-Filmen METROPOLIS und FRAU IM MOND drehte Fritz Lang 1927/28 SPIONE: einen Agententhriller der Weimarer Republik, Nachläufer seiner SPINNEN- und MABUSE -Filme vom Beginn der 1920er Jahre, mit allen Ingredienzien, die wir auch heute noch im Agentenfilm finden: Drahtzieher im Hintergrund, Masken und Verkleidungen, internationale Verschwörungen, Liebe zwischen Agenten, Gadgets, Action und jede Menge Leichen (ja, und auch ein bisschen HARAKIRI). Wenn der Beamte zu Beginn des Films fragt: "Welche Macht hat hier die Hand im Spiele?" und im Gegenschnitt Rudolf Klein-Rogge antwortet: "ICH", dann denkt man schon: Mabuse ist zurückgekehrt. Wie Jonathan Rosenbaum im lesenswerten Essay im Begleitheft zur DVD feststellt: Lang ist mehr am Bösewicht interessiert, anders als z.B. Hitchcock, der mehr am Helden interessiert ist. Und vielleicht ist es nicht ganz verkehrt anzunehmen, dass diese mächtigen Figuren, die Menschen manipulieren und im Hintergrund die Fäden ziehen, Lang als Selbstprojektion dienen, als Reflektion seiner eigenen Rolle als Künstler und seines Willens zur künstlerischen Macht. Neben dem wandlungsfähigen Klein-Rogge, der schon Langs Mabuse, Etzel und Rotwang war, tritt hier das Paar aus FRAU IM MOND zum ersten Mal gemeinsam auf: Willy Fritsch als Agent Nr. 326 und in ihrer ersten Filmrolle Gerda Maurus als schöne russische Spionin.

Die Restaurierung von SPIONE ist brandneu: 2003/04 von der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung durchgeführt, wurde sie am 11.2.2005 auf einer Sonderveranstaltung der Berlinale-Retrospektive feierlich uraufgeführt, also nur ungefähr zwei Monate vor der DVD-Veröffentlichung. Die Musik auf der Berlinale stammte vom Aljoscha Zimmermann Ensemble, auf der DVD hören wir eine neue Komposition von Donald Sosin.

Wie so oft stand vor der Restaurierung eine Suche nach erhaltenen Filmkopien überall auf der Welt: SPIONE bestand ursprünglich wohl, wie METROPOLIS, aus drei Original-Kameranegativen, d.h. jede Szene wurde mindestens dreimal gedreht, und dann wurden aus dem vorhandenen Material drei Fassungen zusammengeschnitten: eine für Deutschland, eine für den Export nach Amerika und eine für den Export in andere Länder. Die Negative sind allesamt nicht erhalten, aber verschiedene Nitrokopien:

  1. Als Basis dienten die am vollständigsten erhaltene Kopie aus dem Národni Filmový Archiv, Prag, und ein Dup-Negativ vom Gosfilmofond Moskau, die auf das gleiche Negativ zurückgehen. In der Moskauer Kopie waren die originalen deutschen Zwischentitel als Blitztitel erhalten. Eine Schwäche dieses Materials war aber, dass es Einstellungen teilweise minderer Qualität enthielt, also z.B. schwache Schauspielerleistungen, misslungene Kadrierungen und Anschlussfehler.
  2. Wo möglich, wurde daher besseres Material aus einer stark gekürzten Kopie der Cinémathèque Française, Paris, verwendet, die auf eine kanadische Exportkopie und damit vermutlich auf das US-Negativ zurückgeht.
  3. Im Filmarchiv Austria, Wien, und bei ScreenSound Australia, Canberra, fand sich weiteres, ebenfalls stark gekürztes, aber hochwertiges Material aus einer englischen Exportkopie, die auf das dritte Kameranegativ zurückgeht. In der Wiener Kopie waren teilweise die Original-Zwischentitel erhalten, die den Blitztiteln aus der Moskauer Kopie entsprachen.

Für die restaurierte Fassung wurde der nicht erhaltene deutsche Vorspann aus Stabangaben der Zensurkarte erstellt und in der gleichen Grafik wie die Zwischentitel wiedergegeben. Neu erzeugte Titel sind mit dem Kürzel F.W.M.S. gekennzeichnet. So entstand die neue Rekonstruktion dieses selten gesehenen Fritz-Lang-Films.

Eureka Video, London, hat sich damit wohl selbst übertroffen und die schnellste DVD-Veröffentlichung der Welt vorgelegt. Die DVD enthält noch eine Galerie mit Werbematerial und Standfotos (sehr schön z.B. das Bild der Fassade des Ufa-Palasts am Zoo, die zur Premiere 1928 von Rudi Feld gestaltet wurde), selbstverständlich die Fassung mit deutschen Zwischentiteln und wahlweise englischen Untertiteln, und als Beilage, wie in der "Masters of Cinema"-Reihe üblich, ein hübsches Heft mit dem Essay eines Filmhistorikers. Eureka hat sich damit eine Spitzenposition als Produzent deutscher Stummfilm-DVDs erarbeitet und dem Film SPIONE zu einem neuen Publikum verholfen. Als nächstes ist der "japanische Sommer" angekündigt, mit Filmen von Shohei Imamura, Keisuke Kinoshita, Akira Kurosawa, Kaneto Shindo, Masahiro Shinoda, Hiroshi Teshigahara und Sadao Yamanaka. Aber wir dürfen wohl auch auf weitere Erstveröffentlichungen großer deutscher Stummfilme hoffen.

OLAF BRILL
02 Jun 2005

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filmhistoriker.de, edited by olaf brill.

Last update (this page): 02 Jun 2005.

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